Falk Fatal und der Krieg

Krieg Ukraine

Egal, was ich hier schreibe, es wird nicht dem gerecht, was die Menschen in der Ukraine seit dem
russischen Angriff erdulden und erleiden müssen. Ich kann mir nicht im entferntesten den Schmerz,
die Angst, den Verlust und die Trauer, aber auch den Kampfeswillen und die Beharrlichkeit
vorstellen, die die Menschen in der Ukraine und die, die aus ihr fliehen konnten, gerade fühlen
müssen. Ich habe zum Glück nie unmittelbar einen Krieg miterlebt. Ich musste nie Nächte in
Kellern oder Bunkern verbringen und darauf hoffen, dass die Bomben ihr Ziel verfehlen. Ich musste
nie vor den zertrümmerten Resten eines Wohnhauses stehen, das vor wenigen Tagen noch mein
Zuhause war. Ich musste nie eilig das Nötigste packen und mein bisheriges Leben hinter mir lassen:
meine Familie, meine Freund:innen, meine Heimat, meine Träume – nicht wissend, ob ich sie
jemals wiedersehen werde und wiederfinden kann.

Ich bin in den 1970er-Jahren geboren. Ich kenne Krieg nur aus dem Fernsehen und dem Internet.
Am nächsten kam ich dem Krieg in den 1990er-Jahren, als auf dem Balkan der jugoslawische
Bürgerkrieg tobte. Doch dieser drohte nie zu einem Flächenbrand zu werden, der ganz Europa in
Schutt und Asche legen kann. Der Krieg gegen die Ukraine ist anders. Der hat das Potenzial dazu,
wie er in der Ukraine gerade zeigt.

Wer noch die Bilder aus Grosny oder Aleppo im Kopf hat, nachdem die russische Armee mit diesen
Städten fertig war, bekommt eine gute Vorstellung davon, wie Kiew, Mariupol oder Charkiw bald
aussehen könnten oder zum Zeitpunkt des Erscheinens der Ausgabe vielleicht schon aussehen.

Ich kann nicht in Worte fassen, was die Flüchtenden und die in der Ukraine Verbleibenden
durchmachen. Aber wir können denen helfen, die hierher kommen und Schutz suchen, und hoffen,
das die Hilfsgüter, die wir in die Ukraine schicken, die erreichen, die sie brauchen. Das ist besser als
nichts, auch wenn es nichts ist. Denn das Töten wird es nicht verhindern, den Krieg nicht beenden.

Das kann nur Wladimir Putin. Doch der macht nicht den Eindruck, als würden ihn der stetig
wachsende Leichenberg und die immer schärfer werdenden Sanktionen groß beeindrucken.
Völkische Nationalisten kümmert es nicht, wenn ihre Taten den Freihandel gefährden. Und so lange
Europa, hier vor allem Deutschland als einer der Hauptabnehmer, weiterhin russisches Öl und Gas
importiert, wird sich daran vermutlich wenig ändern, vielleicht auch nach einem Importstopp nicht.

Der russische Einmarsch in die Ukraine, der eigentlich schon 2014 begann, markiert eine
Zeitenwende. Wenn irgendwann die Panzer nicht mehr rollen und die Kanonen schweigen, wird die
Welt eine andere sein, aber keine bessere.

Erschienen im Sensor Wiesbaden #99, Redaktionsschluss für diese Ausgabe war der 15. März 2022

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