Die Diskurs-Verteidiger

Eine Gruppe von Wiesbadener Bürgerinnen und Bürger macht mobil gegen die Neue extreme Rechte

Die offene Gesellschaft ist bedroht – so stark wie schon lange nicht mehr. Rechtsextreme Gruppen wie Pegida oder Teile der AfD wollen sie zu Grabe tragen. Mit vermeintlichen Tabubrüchen, enthemmter Sprache und plumper Hetze gegen Flüchtlinge, Politiker und allen, die nicht ihrer Meinung sind, versuchen sie den öffentlichen Diskurs immer weiter nach rechts zu verschieben.

AfD Wiesbaden im Stadtparlament

Auch in Wiesbaden feiert die AfD Erfolge und sitzt seit der letzten Kommunalwahl in der Stadtverordnetenversammlung – freilich, ohne dort groß durch konstruktive Mitarbeit aufzufallen (siehe Sensor Artikel „Substanz Fehlanzeige“). Dabei versucht die AfD Wiesbaden sich in der Öffentlichkeit moderater und bürgerlicher zu geben als weite Teile der übrigen Partei. So wurden zwar nach Bekanntwerden rechtsradikaler Äußerungen der angestellte politische Referent Klaus-Peter Kaschke entlassen und gegen das Parteimitglied Aleksej B. ein Parteiausschlussverfahren eingeleitet, die Stadtverordnete Erika Müller verzichtete „aus gesundheitlichen Gründen“ auf die Wahl zur stellvertretenden Stadtverordnetenvorsteherin.

Radikalisierung der Junge Alternative Wiesbaden

Vielleicht nur Einzelfälle, doch die häufen sich. Patrick Pana etwa, Schriftführer der Jungen Alternative Wiesbaden, berichtete laut Frankfurter Rundschau auf Twitter stolz vom Besuch der Winterakademie des rechtsextremen Instituts für Staatspolitik, fiel bis zur Löschung seines Accounts durch Nähe zur vom Verfassungsschutz beobachteten Identitären Bewegung auf, in deren Block er auf der fremdenfeindlichen Demonstration in Kandel mitgelaufen sein soll. Der ehemalige AfD-Stadtverordnete Wilfried Lüderitz verließ gar die Wiesbadener Fraktion aufgrund der „fehlenden klaren Abgrenzung zur innerparteilichen Radikalisierung“ zur Bundespartei.

Eine Gruppe von Wiesbadener Bürgerinnen und Bürger möchte den öffentlichen Diskurs nicht der AfD überlassen und hat sich deshalb unter dem Namen „Moment Mal! Aktion für eine offene Gesellschaft“ zusammengetan. „Uns eint, dass wir die Mobilisierung der AfD und der mit ihr  verwobenen fremdenfeindlichen Gruppierungen als ernstzunehmende Bedrohung der Demokratie wahrnehmen“, sagt Manuel Wüst von Moment Mal!. „Wir wollen die offene Gesellschaft gegen die Angriffe der völkisch-nationalistischen Bewegung verteidigen. Wir sind davon überzeugt, dass die Antworten auf die drängenden Fragen unserer Gesellschaft nur in kooperativen demokratischen Prozessen entwickelt werden können.“ Die Basis hierfür seien allgemeine Menschenrechten, faire inklusive Institutionen und Respekt für die Vielgestaltigkeit des Lebens.

Mahnwachen gegen AfD-Revisionismus

Das erste Mal trat die Gruppe am 1. März in Erscheinung, während die AfD ihren letzten Themenabend im Hilde-Müller-Haus veranstaltete. Als Reaktion auf Äußerungen des baden-württembergischen AfD-Landtagsabgeordneten Wolfgang Gedeon, erinnerte Moment Mal! an die Opfer des Nationalsozialismus und hielt Mahnwachen an vier Stolperstein-Standorten im Rheingauviertel ab. „Die Stolpersteine bewahren vor dem Vergessen und sind Aufforderungen zum Gedenken. Dieses Gedenken wachzuhalten, bleibt eine Verpflichtung, von der wir uns durch nichts und niemand abhalten lassen“, sagt Claudia Sievers. Gedeon hatte die Stolpersteine zum Gedenken der jüdischen Holocaust-Opfer als „Erinnerungs-Diktatur“ bezeichnet. „AfD-Politiker wie Wolfgang Gedeon, oder auch Björn Höcke, geht es um nichts anderes, als um eine perfide und grundlegende Umdeutung des Gedenkens an die nationalsozialistische Vernichtungspolitik“, ergänzt Georg Habs. „Dem stellen wir uns entgegen.“

Vortrag von Samuel Salzborn

Moment Mal! setzt dabei vor allem auf Veranstaltungen, möglichst dort wo die AfD Präsenz zeigen will. So wird die erste Veranstaltung im Hilde-Müller-Haus stattfinden, wo die AfD erfolglos versuchte ihre Themenabende zu etablieren.

Der renommierte Politikwissenschaftler Samuel Salzborn wird am 25.April einen Vortrag zum „Angriff der Antidemokraten –  Die völkische Rebellion der Neuen Rechten“ halten. Anschließend sollen auf dem Podium Gegenstrategien diskutiert werden. Weitere Veranstaltungen mit dem Journalisten Marcus Bensmann vom Recherchenetzwerk Correctiv und der US-amerikanischen Philosophin und Direktorin des Einstein-Forums in Potsdam, Susan Neimann, werden im Juni folgen.

Erschienen in Sensor Wiesbaden #63 April 2018

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert