Short Stories mit Popappeal

Was kommt heraus, wenn sich ein weltbekannter Popliterat und ein musikalisches Wunderkind zusammen tun und gemeinsame Sache machen? Ein Album mit elf hinreißenden Popsongs.

Das der britische Autor Nick Hornby eine große Pop-Affinität besitzt, ist nicht zuletzt seit seinem Roman High Fidelity und der Essaysammlung 31 Songs. In High Fidelity war der Protagonist ein Musiknerd und Schallplattenladenbesitzer, in 31 Songs beschäftigte sich Hornby poptheoretisch mit 31 Popsongs. Ein Aufsatz aus diesem Buch stellte dann auch den ersten Kontakt zwischen Hornby und dem us-amerikanischen Liedermacher Ben Folds her.

Folds gilt in Indiekreisen als einer der talentiertesten Songwriter überhaupt. Seine Karriere begann – ähnlich wie bei Hornby – in den 1990er Jahren. Als die Grungebewegung noch in einem letzten Todeszucken vor sich hin lärmte, veröffentlichte Folds seine erste Platte – völlig ohne Gitarren. Bass und Piano dominierten die Popsongs von Folds.

Lange Freundschaft

In 31 Songs jedenfalls pries Hornby den tiefsinnigen Text von Folds Lied „Smoke“ – das einzige Lied auf der Platte zu dem Folds nicht den Text geschrieben hatte. Folds schrieb Hornby eine E-Mail. Man verstand sich auf Anhieb und Hornby lieferte anschließend einen Text für „Has Been“, einem Song auf dem Album, das Folds für Capitain-Kirk-Darsteller William Shatner geschrieben hatte. Mit dem Resultat waren beide anscheinend so zufrieden, dass sie beschlossen ein ganzes Album gemeinsam aufzunehmen.

Vertonte Kurzgeschichten

Jetzt liegt mit „Lonely Avenue“ das Resultat ihrer Zusammenarbeit vor. Elf Songs sind es geworden, zu denen Hornby die Texte schrieb und Folds Musik und Gesang beisteuerte. Die Texte Hornbys gleichen dabei mehr Kurzgeschichten als „normalen“ Poptexten. Folglich hat jeder Text eine Hauptfigur, aus dessen Sicht die Geschichte erzählt wird. Mal ist das Levi Johnson, der Junge, der die Tochter von Sarah Palin unehelich schwängerte, mal ist das der alternde Musiker, der auch Jahrzehnte später nur auf seinen einen großen Hit reduziert wird, das Scheidungskind, dessen Geburtstag in den Streitereien der Eltern versinkt oder das eigentlich perfekte Paar, das nie zueinander findet, da es nebeneinander her lebt.

Gelungene Zusammenarbeit

Folds seinerseits versuchte jeder dieser Geschichten und Hauptfiguren musikalisch gerecht zu werden, und kleidete jeden einzelnen Song in unverwechselbare, klare Kompositionen, in denen Streicher, Piano und harmonische Chorgesänge dominieren. Die einzelnen Lieder fallen dann auch sehr unterschiedlich aus, mal laut und flott, mal leise und sentimental – eine klare musikalische Linie lässt sich auf Lonely Avenue nicht finden: Das Album gleicht mehr einer vertonten Kurzgeschichtensammlung als einem Roman mit elf Kapiteln. Was aber nicht stört: Eine gute Kurzgeschichte zu schreiben und sie gar zu vertonen, ist eine Kunst für sich, die nur wenige beherrschen. Folds und Hornby gelingt beides mit Leichtigkeit.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert