Vor einige Wochen haben Dick Brave & the Backbeats aka Sasha und Co. eine neues Album veröffentlicht. Vor einigen Monaten führte ich für das Dynamite Magazine ein Interview mit Adriano Batolba, seines Zeichen Gitarrist bei den Backbeats und auch Produzent der Scheiben, und lernte ihn als aufgeschlossenen, netten und vor allem sehr interessanten Gesprächspartner kennen.Woher seine Liebe zum Rock’n’Roll stammt, warum Dick Brave & the Backbeats kein Marketing-Gang ist und weshalb „Cotton Eye Joe“ manchen vielleicht die Schuhe ausziehen wird, könnnt ihr hier nun lesen.
Wann immer in den vergangenen Jahren eine deutsche Rock’n’Roll-Platte hierzulande in den Charts landete, hatte wahrscheinlich Adriano Batolba seine Finger mit im Spiel: Ob als Sänger und Gitarrist, Komponist oder Produzent, er war dabei. Bei Dick Brave & the Backbeats spielte Gitarre und war als Produzent tätig. Die Boppin B.-Alben „Bop Around the Pop“ und „Rock..n..Roll Radio“ produzierte er, ebenso die Single „Umbrella“ der Baseballs. Bei Peter Kraus und Peggy Sugarhill spielte er Gitarre und seit einiger Zeit hat er mit dem Antonio BaTolba Orchestra eine eigene Rockabilly Big Band am Start. Im Gespräch mit dem Dynamite erzählt er, woher seine Liebe zum Rock’n’Roll stammt, warum Dick Brave & the Backbeats kein Marketing-Gang ist und weshalb „Cotton Eye Joe“ manchen vielleicht die Schuhe ausziehen wird.
Adriano, Du bist 38 Jahre alt. Als Du geboren wurdest, hatte der der Rock’n’Roll seine große Zeit schon hinter sich. Bombastrock, Disco und Punk waren in den 70er Jahren angesagt. Du hast dich für Rock’n’Roll entschieden. Woher kommt deine Leidenschaft für diese Musik?
Dafür ist meine Mutter verantwortlich. Die war in den 50ern Teenager und hat in dieser Zeit selbst viel Rock’n’Roll gehört. Irgendwann habe ich mir ihre Singles geschnappt und die rauf und runter gedudelt. Meine erste Platte habe ich mir gekauft, als ich sieben war. Man kann also sagen, ich bin mit der Musik aufgewachsen.
Das hat aber nicht bei jedem den Entschluss Musik zur Folge, selbst Musik zu machen.
Nee, das sicher nicht. Ich hatte als Kind Klavierunterricht, und als ich so elf, zwölf Jahre alt war, hat mein bester Freund Gitarrenunterricht gekommen. Nach seiner ersten Stunde konnte der schon ein Lied spielen – auch wenn es nur „Mein Hut, der hat drei Ecken“ war (lacht). Ich bin vor Neid fast geplatzt. Ich hatte bis dahin immer nur so Sachen machen dürfen, wie Noten malen oder Etüden spielen. Ich habe mich dann mit eingeklinkt und bin dabei geblieben. Mein zweiter Song, den ich auf der Gitarre spielen konnte, war „Blue Suede Shoes“.
Und hast du dann auch angefangen in Bands zu spielen?
Ja, meine erste Band hatte ich mit besagtem Freund, allerdings musste der Kontrabass spielen. Da war ich so 14,15 gewesen. Einen unseren ersten Auftritt haben wir auf dem Schulfest gehabt und der war so gut, dass wir danach auf dem Abiball spielen durften. Für uns war das eine tolle Sache, denn auf den wir sonst gar nicht gedurft, weil wir noch zu jung waren.
Irgendwann wolltest Du das professionell machen.
Das war natürlich nicht von vornherein geplant, sondern hat sich so entwickelt. Ich durfte damals öfter als „Special-Guest“ mit der Band meines damaligen Gitarrenlehrers auftreten. Das war für mich natürlich super mit professionellen Musikern auf der Bühne zu stehen und zu merken, dass es doch einen Unterschied macht, wie die spielen und ich. Das hat dann meinen Entschluss gefestigt, dass ich das als Job machen möchte. Und so bin ich nach der Schule nach Amsterdam und habe dort auf der Kunsthochschule angefangen, Jazzgitarre zu studieren.
Kommt aus dieser Zeit auch das Interesse am Big-Band-Sound und diesen mit Rockabilly zu kombinieren, wie du es jetzt mit Deiner neuen Band Adriano BaTolba Orchestra machst?
Das kommt sicher auch daher, da ich mich in dem Bereich ein wenig auskenne. Aber auch die Entstehung von Adriano BaTolba Orchestra war eher ungeplant. Ich bin ja Gretchendorfer und die hatten 2009 den Plan auf der Musikmesse in Frankfurt sowas Stray Cats-mäßiges mit Big Band zu machen. Und bin ich gefragt worden, ob ich das nicht machen will. Ich habe mich dann mal hingesetzt und drei Songs geschrieben, „Jean Jean, Jeannie“, Hard Luck, Bad Luck’n’Misery“ und „Ride It like Like You“ und die Big Band zusammen gesucht. Doch wegen dem Wirtschaftscrash wurde das dann 2009 abgesagt. Da ich aber die Songs hatte, wollte ich nicht einfach verfallen lassen. Und dann haben wir ein paar Gigs gespielt und das war ein Megaspaß und so hat sich das entwickelt.
Dann habt ihr mit „Cotton Eye Joe“ noch ein Traditional aufgenommen, das aus der Zeit des amerikanischen Bürgerkriegs stammt und das die meisten Hörer mit dem Eurodance von Rednex in Verbindung bringen werden.
Du, das finde ich gar nicht so schlimm. Das kann ja gerade toll sein, wenn du ein Lied hörst, das du immer doof fandest und plötzlich gibt es eine Version, die zieht dir die Schuhe aus.
Und als Nächstes kommt ein Album von euch raus?
Nee, das wird noch dauern. Ich bin ja gerade mit der Produktion der neuen Scheibe von Dick Brave beschäftigt. Aber nächstes Jahr kommt die Platte bestimmt.
Ach wirklich, das wusste ich nicht. Ich dachte die Band hätte sich aufgelöst.
Hatte sie auch. Wir haben damals gesagt, wir machen das ein Jahr und haben es dann doch zwei Jahre gemacht. Weil es sich so selbstverständigt hatte und irre erfolgreich war. Und nach genau zwei Jahren haben wir den Stecker gezogen.
Und jetzt hat es euch gejuckt, ein neues Album zu machen?
Ja, aber bevor ins Studio gehen, wollten wir erst einmal wieder live spielen. Wir waren wirklich überrascht, wie gut das lief. Wir haben ja keine große Kampagne gestartet, sondern nur eine Anzeige gestartet und auf Facebook Werbung gemacht. Und innerhalb von 48 Stunden waren alle sechs Konzerte der Tour ausverkauft.
Warum habt ihr euch so lange Zeit gelassen mit dem zweiten Album. An mangelnden Angeboten kann es ja nicht gelegen haben.
Angebote gab es genug, das stimmt. Aber wir haben gesagt, wir wollen das nicht ausschlachten bis zum geht nicht mehr.
Teile der Szene haben euch aber genau das immer vorgeworfen, ein Plastik-Produkt zu sein.
Dick Brave & the Backbeats war und ist ein Spaß-Ding und kein Marketing-Gag. Das ist aus einer Bierlaune heraus entstanden. Wenn man uns eine Kommerzialisierung vorwerfen will, dann war unsere damalige Entscheidung ja genau das Gegenteil davon.
Dann erzähl doch einmal, wie Dick Brave & the Backbeats entstanden ist.
Während meines Studiums in Amsterdam habe ich bei „Der Wolf“ Gitarre gespielt. Der hat so Hip-Hop gemacht. Sein bekanntestes Lied war „Das gibt’s doch gar nicht“ – das kennst Du bestimmt. Und der hatte denselben Manager wie Sasha und irgendwann habe ich für Sasha Gitarre gespielt.
Irgendwann waren Sasha und ich zu zweit auf einer Promotour durch die USA, wo wir die ganzen Radiosender abgeklappert haben. Und an einem Off-Day in St. Louis sind wir nach Memphis gefahren und haben da das komplette Programm mitgemacht. Abends bei zwei, drei Bierchen waren wir auf einer Jamsession und haben zusammen eine Elvis-Nummer gespielt. Und daraus kam dann die Idee, neue Songs auf alt zu machen.
Und als ihr aus den USA zurückwart, habt ihr mit Dick Brave & the Backbeats losgelegt?
Nee, 2001 waren wir in den Staaten. Dann lag die Idee brach bis Sasha Ende 2002 gesagt hatte, das er eine Pause machen will. Aber wir haben immer an Weihnachten ein Konzert gegeben für Freunde und Bekannte. Mal haben wir unplugged gespielt, mal 80er Jahre Songs gespielt und 2002 hatten wir die Idee gehabt, das Rockn’Roll-Ding zu machen. Das kam auf der Party supergut an und alle sagten: „Ihr seid doch bekloppt, wenn ihr das nicht weiter macht.“ Daraufhin haben wir dann sechs Gigs im Pott gebucht und dann hat sich das verselbständigt.
Warum habt ihr das nicht einfach als Sasha plus Band oder so gemacht?
Naja, wenn Sasha auf dem Plakat steht, erwarten die Leute etwas komplett anderes als Rock’n’Roll. Unser damaliger Road-Manager hatte das auch bei Nick Cave & the Bad Seeds gemacht und daraus wurde dann Dick Brave & the Backbeats. Das war der schrägste Name, der uns einfiel. Und es war wirklich so, das einige Veranstalter uns nicht gebucht haben, weil sie Sasha nicht aufs Plakat schreiben durften. Aber das haben wir in Kauf genommen.
Wie haben die Leute reagiert. Die typischen Rockabillies waren doch sicher mehr als verwundert, als sie dann Sasha auf der Bühne gesehen haben?
Es waren ja nicht nur Rockabillies auf den Konzerten. Aber die, die auf den Konzerten waren, haben auch gemerkt, dass wir keinen Bullshit machen. Wir nehmen uns zwar selbst ein wenig auf die Schippe, aber die Musik ist heilig! Und ich glaube, das haben die Rockabillies auch verstanden. Vielleicht waren die froh auch mal Leute zu erleben, die sie in ihrem Kontext nicht so verorten, die aber trotzdem gut mit der Musik umgehen. Andererseits gehe ich auch auf Rockabilly-Konzerte, wo ich denke, macht doch mal eure Hausaufgaben. Das finde ich dann Schade. Die sind dann zwar „real“, aber musikalisch ist es trotzdem nicht toll. Wobei ich diese Abgrenzung in „real“ und „nicht real“ total albern finde.
Ihr wart in manchen Augen also „unreal“?
Ich kann das nicht nachvollziehen, wenn Leute sagen, das ist unsere Musik. Diese Abgrenzung, das ist so wie, der ist nicht in derselben Kirche wie wir. Damit kann ich nichts anfangen. Ich kenne die Szene, seitdem ich 12, 13 Jahre alt bin, aber ich habe nie gedacht, nur weil ich mit Lederjacke und Tolle rumlaufe, darf jemand der nicht so aussieht, keinen Rock’n’Roll machen.
Du nimmst das also wahr, wenn sich die Szene echauffiert, aber du störst dich nicht daran?
Ich kann das ja verstehen, wenn jemand etwas doof findet. Aber die Gründe kann ich nicht immer ganz nachvollziehen. Nimm doch Brian Setzer. Der ist für die Gott. Aber in den 80er Jahren hat der ja auch ganz andere Musik gemacht. Hör Dir doch nur mal die „The Knife feels like Justice“ oder die „Live Nude Guitars“ an, das ist kein Rock’n’Roll. Setzer hat auch andere Sachen ausgecheckt. Auf seiner letzten Solo-Scheibe hat er ja auch das Stück „Real Rockabilly“ drauf. Und da geht es ja genau darum: Was ist denn „Real Rockabilly“? Wer beurteilt das denn? Bei vielen Leuten habe ich das Gefühl, das es denen nicht um den Inhalt, sondern nur um die Form geht. Wenn jemand eine Lederjacke trägt und tätowiert ist, dann ist der „real“, um mal beim Klischee zu bleiben, und wenn jemand das nicht ist oder aus einer anderen Ecke kommt, dann ist er nicht „real.“ Das ist mir zu doof. Wenn jemand schöne Musik macht, dann freue ich mich – egal, aus welcher Ecke der kommt. Aber ich habe mich auch gefreut, dass Dick Brave auch von Leuten aus der Szene positiv aufgenommen wurde.
Wann wird das neue Dick Brave Album erscheinen?
Im Oktober.
Und dann geht es wieder auf Tour?
Genau. Mit Dick Brave sind wir dann unterwegs. Zwischendrin spiele ich aber auch noch mit dem Orchestra und einige Gigs mit dem Backbeat Trio sind auch geplant. Und nächstes Jahr kommt dann die Orchestra Platte.